Kobolde der Finsternis
 
Eine Nacht auf rauher See steht bevor, als unser Schiff Kurs auf die grösste Galapagos-Insel
Isabela nimmt. Hin und her neigt sich der kleine Kahn, und ich kullere im Minutentakt
durch das Bett. Auf der einzigen Ablagefläche in der Kabine, einem Regal über dem Bett, rumpelt es im gleichen Takte. In aller Hergottsfrüh überqueren wir den Äquator, ein Ereignis, das unser Kapitän, Bolivar, lautstark mit dem Schiffshorn zelebriert. Zum Frühstück am Punta Vicente Rocca liegen wir schliesslich ruhig in einer Bucht, während Mondfischflossen und Meeresschildkröten an uns vorbeiziehen.  
 
Auf der Nachbarinsel Fernandina tummeln sich hunderte von Meerechsen über- und untereinander. Bei unserer Ankunft in der Früh tanken sie noch Sonne auf den Lavafelsen. Faszinierend fremdartig sehen sie aus, die Echsen, die sich von Algen ernähren, die sie im Meer abweiden. Charles Darwin hatte keine guten Worte für die "Kobolde der Finsternis" übrig: „Es sind hässlich aussehende Geschöpfe von einer schmutzigschwarzen Färbung, dumm und träge in ihren Bewegungen“, schrieb er im Bordbuch der Beagle, und weiter, „Ich beobachtete eine Eidechse bei ihrer Arbeit, bis der halbe Körper vergraben war; dann ging ich hinzu und zog sie am Schwanz heraus.“ Der staunende Leser seiner Logbucheinträge erfährt auch, wie Darwin zu den Schildkröten stand: „Der Brustteil mit dem Fleisch daran geröstet ist sehr gut; die jungen Schildkröten geben eine vorzügliche Suppe; im übrigen aber ist das Fleisch meinem Geschmack nach nur nichtssagend.

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 ... Ich stellte mich ihnen häufig auf den Rücken; wenn ich ihnen dann ein paar Schläge auf den hinteren Teil ihres Rückenschildes gab, standen sie auf und gingen weiter; ich fand es aber sehr schwierig, das Gleichgewicht zu halten. "  Es erübrigt sich zu betonen, dass all dies heutzutage gegen die Nationalparkregeln verstossen würde. 
 
Nur wenige Besucher erreichen die abgelegene Elizabeth Bucht an der Westküste Isabelas. In einem dichten Labyrinth aus Mangrovenwäldern wird der Motor unseres Beibootes ausgeschaltet. Wir lassen uns treiben. "Tortuga" ruft der Steuermann in die Stille. Majestätisch gleitet die Meeresschildkröte durch das grüne Nass, und die Zeit scheint stillzustehen. -- --  Ein paar Mangrovenbüsche weiter aber ist richtig Action: Pinguine unterbrechen ihren flotten Vierer, um mit unverhohlener Neugier direkt auf unser Boot zuzuschwimmen. Ein brauner Pelikan umrundet es gar ein paarmal, scheint ganz baff,  und schaut aus der Wäsche, als hätte er noch nie einen Touristen gesehen! Aufregung herrscht derweil unter den Seelöwen. Einer schüttelt sich immer wieder heftig, und Tausende von glitzernden Wassertröpfchen stieben wie Diamanten in alle Richtungen. Als wir näherkommen, sehen wir, dass er einen Oktopus im Munde stecken hat. Er versucht vergeblich, ihn wie einen Fisch zu zerlegen, indem er immer wieder Kopf samt Beute hin- und herschüttelt. Irgendwann wird er einer Grundsatzentscheidung nicht entronnen sein: im Ganzen schlucken, oder wieder ausspucken. Aber das erleben wir nicht mehr.