Kurze Zeit später erkunden wir per Fahrrad ein Stückchen Insel. Himmlisch. Diese Anhäufung von Rasta-Schwarzen mit Bob Marley - Mützen, die - was sie auch immer tun – dies in leichtem Reggae-Rhythmus tun. Die fahrradfahrenden Familien, Kind auf dem Lenkrad, Kind auf dem Gepäckträger. Hühner mit Küken, die gackernd über die Wege sausen. Französisch leichte Worte, die wie Spielbälle zwischen den Gärten hin und her geworfen werden. Ein riesiger Baobab-Baum mittendrin. Bananenstauden, Palmen. Und dann fußballbegeisterte Männer, die – vermutlich um den Eintrittspreis in das Stadion in Miniaturausführung zu umgehen – auf die umliegenden Bäume geklettert sind und dem Spiel von dort aus zusehen. Wir wollen es ihnen sogleich nachmachen. Die Trommeln im Stadion schlagen typisch afrikanische Rhythmen, die Männer auf den Bäumen schlagen auf Blechbüchsen mit, und die Kinder spielen hinter dem Tor ihr eigenes kleines Spiel – so schön kann Fußball sein.
 
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Die Brandung ist stark. Vom Strand aus bewundert man die verspielten Gischtkämme, die schneeweiß auf dem Türkisgrün des Meeres tanzen. Aber wenn man mittendrin ist, überschlagen sich die Wellen atemlos und begraben einen tosend unter ihren Schaumkronen. Ich will mit meinem neunjährigen Sohn F. nur durch sie hindurch, hinaus aufs Meer, um ruhig über dem Riff zu schnorcheln. Aber die Brandung baut ihre Barrikaden auf, uneinnehmbare Festungen. Das Meer ist in Strandnähe gar nicht tief, eigentlich könnten wir stehen, wenn die Unterströmung uns nicht immer wieder die Beine wegreißen und gegen die nächsten Steine donnern würde. Und die gibt es hier im Überfluss, denn alles unter uns sind versteinerte Korallen, wundervolle Gewächse, zauberhaft und grazil, aber eben hier und da auch scharfkantig und spitz. In der Kürze der Zeit hab ich mir in Aufbietung aller Kräfte beim Wellenansturm das Knie blutig geschlagen, die Hand aufgeschürft und den Ellenbogen geprellt, dass mich Schmerzwellen durchpulsen. F. schluckt Tränen hinunter, weil eine Welle eine seiner Flossen weggerissen und ihm im nächsten Moment wieder scharfkantig ins Gesicht geworfen hat, mein Rücken tut weh, und das offene Meer scheint immer noch genauso weit weg zu sein wie zu Beginn unseres Kampfes. Unser Rückzug dauert ebenso lang wie unsere Annäherung. Ein Schritt, umknicken, jammern, weggespült werden, Luft schnappen, sich fangen und es wieder versuchen, Schwimmversuche taugen genauso wenig. Als wir wieder am Strand angekommen sind, zittern wir beide. Schnorcheln bei Ebbe hätten wir uns anders vorgestellt, selbst mein Mann. Ein zweites Mal wagen F. und ich es erst wieder, als die Flut so hoch steht, dass wir nach wenigen Metern vom Strand bereits schwimmen können, gut bewaffnet mit Flossen, Taucherbrille und Schnorchel. Alles schmerzt noch vom ersten Versuch, und die Wellen toben so, dass ich unter Wasser vor Luftbläschenstrudeln kaum etwas sehen kann, aber ich sage mir, dass ich nur ganz, ganz ruhig atmen muss. Nicht denken, nicht fühlen, nur atmen. Mein vom Schnorchel verstärkter Atem hallt in meinen Ohren wieder und lässt die türkisne Bläschenwelt noch bizarrer erscheinen. F. klammert sich wie ein Äffchen an den Rücken seines Papas und reitet mit dem starken „Flossenpferd“ durch die Wellen, dass ich Mühe hab, ihnen zu folgen. Wie die Pflanzenpolster ungestüm ihre Haare hin und her werfen. Und wie schwer es ist, gegen die Wellen anzuschwimmen. Nach einiger Zeit bin ich außer Atem, und mein Atem klingt noch gespenstischer als vorher. Zugleich donnern die Wellen so, dass der ganze Sand vom Grund aufgewirbelt wird und ich die Felsen nicht mehr im Sandsturm erkennen kann. Ja keine Panik, rede ich mir zu, halte Dich ans große Flossenpferd. Aber selbst das wird langsamer, und sein Reiterchen jammert, weil ihm das Tosen der Wellen den Atem nimmt. Einen Moment lang bin ich versucht, aufzugeben. Mein Mann hat die Durchquerung der Brandung schon anderswo geschafft, und meine Tochter ebenso.