In Humahuaca findet sich ein nach meinem Dafürhalten nicht sonderlich spektakuläres Mahnmal für die Helden der Unabhängigkeitsbewegung, das sogenannte Indio-Denkmal. "Rom kommt von Romulus, Bolivien kommt von Bolivar", beginnt unser Reiseleiter in seiner betont markigen Ausdrucksweise seine Einführung in die Befreiungskämpfe Lateinamerikas. "Ich werde nicht eher ruhen, bis ganz Amerika von den Spaniern befreit ist," soll Bolivar anläßlich eines Besuchs auf dem Gianicolo in Rom gesagt haben. Von ihm stammt auch der berühmte Ausspruch: "Ich habe versucht, den Ozean zu pflügen." Bolivar starb 1831 völlig vereinsamt an der Tuberkulose. Alle großen Befreier Südamerikas waren Freimaurer und durften somit nicht kirchlich beigesetzt werden. 
    Die Straße steigt nun stark an. Ein letzter Blick zurück auf die Quebrada de Humahuaca macht deutlich, welche Höhe wir bereits erreicht haben, nämlich mehr als 3000 m. Die Welt sieht hier fast mittelgebirgsähnlich aus, nirgendwo finden sich markante Erhebungen, die Vegetation ist auf ein Minimum reduziert, Sträucher und Kakteen dominieren, und der nackte Boden tritt offen zutage. Es ist schier unglaublich, wie diese Kakteen noch aus den steilsten Felswänden sprießen. Selbst der Himmel hat mittlerweile sein Aussehen verändert, über uns wölbt sich ein Firmament eisiger Cirren. 
    Aus berufenem Munde werden wieder erschütternde Wahrheiten enthüllt: Lateinamerika sei von Korruption durchsetzt. Ein Betrugsskandal in Höhe von 15 Millionen US$ war es, welcher zuletzt aufgedeckt wurde. Allein die Präsidenten haben sich während ihrer Amtszeiten um hunderte Millionen Dollar bereichert. Man munkelt sogar, daß Fujimori 250 Millionen Dollar in 46 Koffern außer Landes gebracht haben soll, zumal man keine Auslandskonten von ihm gefunden hat. Da die Staatsdiener nicht angemessen entlohnt werden, sind sie gezwungen, sich darüber hinaus ein entsprechendes Zusatzeinkommen zu verschaffen. Der Staat weiß dies und toleriert es. Ein Führerscheinentzug etwa ist mit langem Schlangestehen verbunden. Gegen ein entsprechendes "Angebot" können selbst Strafzettel umgangen werden. Wer in Südamerika leben will, muß Kontakte pflegen. Nur durch Beziehungen kommt man weiter. Diese beschränken sich allerdings auf die oberen Schichten. Behördengänge werden vom sogenannten "Patron" erledigt, da seine Arbeiter als kleine Leute nichts erreichen würden. 
    Wir gelangen nun wieder in ein Gebiet mit sehr buntem Untergrund. Unser Weg schlängelt sich parallel zur Eisenbahnlinie durch eine Schlucht, und wieder harren unser spektakuläre Felsbänderungen. Auch wurden durch Windverfrachtung Sanddünen an den Abhängen abgelagert, wo sie sich gelb bis rötlich gegen das Gestein abzeichnen. Besonderes Augenmerk verdient ein phantasievolles Gebilde, das die Gestalt ineinander verschlungener Robbenkörper hat. Als wir die Abhänge des Nevado de Chañi passiert haben, tauchen nach längerer Zeit wieder schneebedeckte Berge auf, die bis zu 5800 m hoch aufragen. Noch in 4000 m Meereshöhe kann man hier Tiefseeablagerungen finden, die im Zuge der andinen Faltung auf dieses Niveau angehoben wurden. In der Nähe von Tres Cruces, an dem wir gerade vorüberfahren, liegt eine Grenzkontrollstelle. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich eine Mine, wo unter amerikanischer Leitung Zink und Blei gefördert werden. In 3800 m Höhe erreichen wir die erste Boumilla, dies sind Hochtäler, die mit Erosionsmaterial angefüllt sind. Hier begegnet uns erstmals auch eine größere Herde von Lamas und Alpakas. Letztere sind eine Mischung des Lamas mit dem Schaf und können sich nicht weitervermehren. 
    Auf staubiger Piste nähern wir uns unaufhaltsam der bolivianischen Grenze. In Abra Pampa gibt es noch einen alten Bahnhof der bolivianischen Eisenbahn zu sehen. Auf der Weiterfahrt begegnet uns ein Zug, der Erz verfrachtet, was geradezu einer Seltenheit gleichkommt. Gegen Mittag erreichen wir La Quiaca, die nördlichste Stadt Argentiniens und ein lichtdurchfluteter Ort, in dem fast ausschließlich Indios leben. Ich habe in dieser Höhenlage nicht mit solchen Temperaturen gerechnet und bin für 25 °C viel zu warm angezogen. Die Temperaturen im Hochland können zwischen +30 °C am Tag und -15 °C in der Nacht schwanken. Die Grenzabfertigung in Villazón verläuft recht zügig; innerhalb einer Stunde ist alles geschehen, allerdings werden hinter der Grenze die Straßen bedeutend schlechter. 
    Einiges zur Landeskunde: Bolivien ist präsidiale Republik, Präsident ist der ehemalige Diktator Hugo Banzer Suárez, Nachfahre deutscher Einwanderer. Es gibt in Bolivien auch eine Partei der Analphabeten, denn seit der Freitagsrevolution sind auch diese wahlberechtigt. Bolivien ist ringsum von Staaten eingeschlossen, es hat im sogenannten Salpeterkrieg mit Chile seinen Zugang zum Meer verloren. Chile ist bislang nicht bereit, die besetzten Gebiete zurückzugeben, da dort die größten Kupfervorkommen beider Staaten liegen. Der Nevado de Sajama ist mit seinen 6520 Metern der höchste Berg des Landes, die Landesflagge ist rot-gelb-grün. Der Zeitunterschied zu Deutschland beträgt in Bolivien sieben Stunden.