In aller Herrgottsfrühe und im Dunkeln beginnt das Leben auf der Straße wieder mit Autolärm, Abgasen, Gemüseverkäufern und wuselnden Menschen. Nach einem guten Frühstücksbüffet laufen wir alle hinter Roger her zur Post, um Briefmarken zu kaufen. Wir bekommen auch ganz schöne mit Lemuren und Orchideen drauf für unsere Postkarten an die Lieben daheim. Dann steigen wir in den Bus, in dem wir ganz zwanglos und unkompliziert unsere Plätze gefunden haben, ohne dass es deswegen eine Debatte gegeben hätte. Marion und ich sitzen in der ersten Reihe, das ist zumindest für mich Premiere, meist saß ich Mitte oder hinten. Der Panoramablick durch die Frontscheibe ist schon toll. Wir fahren also los durch Tana, erfahren, daß die Ampeln eher Dekoration sind, da nur die biologischen Ampeln (Verkehrspolizisten) funktionieren und dass wir nun auf der 400 km langen besten Straße ganz Madagaskars fahren, die nach Tamatave an der Ostküste führt. Tamatave ist die größte Hafenstadt des Landes und damit eine sehr wichtige Verkehrsverbindung für die Versorgung des Landes. Es ist warm und angenehm, und guter Dinge fahren wir durch eine leicht hügelige Landschaft in Richtung Osten und damit dem Regenwald entgegen. Unterwegs sehen wir viele Reisfelder, die zwei Ernten pro Jahr ermöglichen, und auch viele Gemüsefelder mit Bohnen, Blumenkohl, Zwiebeln, Karotten und auch dem "essbaren, grünen Gemüse" wie Roger lustigerweise das bezeichnet, für das es kein deutsches Pendent und daher keinen Namen gibt. Alles, was grün und essbar ist, ist also essbares, grünes Gemüse. Das merken wir uns gut. 

Auf den abgeernteten Feldern suchen Zebus nach Futter. Roger will keine Zebus und Ochsenkarren, Touristen und ein Bus sind ihm viel lieber…!

Viele Hügel sind kahl, weil abgeholzt, aber es gibt auch Aufforstungsprogramme. Vor allem Eukalyptus wird viel angebaut, weil es schnell wächst und guten Baustoff und auch die wichtige Holzkohle liefert. Zwischendrin immer wieder kleine Dörfer und Ansammlungen von einfachen Häuschen aus Lehmziegeln, die überall selbst hergestellt und gebrannt werden. Die Dächer bestehen aus Palmenblättern oder Gras. Wir fahren abwechselnd rauf und runter und kommen schließlich zur Marazevo Breeding Farm. Der französische Biologe André Peyrieras hat hier vor etlichen Jahren aus Begeisterung über die madagassische Fauna mit seinen vielen Endemiten (Tiere und Pflanzen, die nur hier auf der Insel vorkommen und sonst nirgends auf der Welt) vor allem Reptilien und Amphibien zusammengetragen. Obwohl er in Tana lebt, kommt er jedes Wochenende hierher, weil dies seine große Leidenschaft ist. Wir betreten ein mit Draht und Gaze versehenes Gehege und reissen die Augen auf, denn hier gibt es wahre Schätze zu sehen. Roger setzt ein ca. 60 cm langes grünes Parsons-Chamäleon auf seinen Arm, das uns mit seinen kuriosen Augen anschaut.

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Was für ein schönes Tier und was für eine Rarität! Wir entdecken eine ganze Menge davon, auch etliche andere Arten wie das schön gemusterte Teppichchamäleon. Manche sind braun, manche gemustert, manche dunkelgrün. Auf Madagaskar gibt es 66 Arten von Chamäleons, darunter das grösste und das kleinste der Welt. Das kleinste "Brookesia minima" wird nur 28 - 34 mm lang, das grösste immerhin bis 80 cm. Alle madagassischen Chamäleons legen ihre Eier in den Boden ab, wo sie manchmal erst nach einem Jahr schlüpfen. Sie sind alle tagaktiv und ernähren sich von Insekten, die sie mit ihrer langen Schleuderzunge fangen. Sie bewegen sich sehr bedächtig und schaukelnd, so daß man sie wunderbar beobachten kann.

In weiteren Gehegen finden wir viele Geckoarten, unter anderem auch den bizarren Plattschwanzgecko mit riesigem Kopf und Augen und einem völlig platten Schwanz. Er ist nachtaktiv und kann seinen Schwanz bei Gefahr abwerfen.