Als wir vor einem Tempel hielten und fragend im Sprachführer auf die Zeichen für ‘Terracotta Armee’ deuteten, nickte der Busfahrer wichtig und wollte uns Tickets verkaufen. Der Verkäuferin am Eingang bedeutete er wohl, unsere Studentenausweise nicht zu akzeptieren, da er schon für uns Eintrittskarten zum Normalpreis besorgt hatte, die wir ihm nun abnehmen sollten. In der Annahme, nun die Tonfiguren zu Gesicht zu bekommen, taten wir dies, wurden jedoch von einer Art Museum empfangen. Nicht gerade nach unserem Geschmack, für die Chinesen aber scheinbar entzückend waren die Gemälde und Figuren, die es hier zu bestaunen gab. Von der Terracotta Armee weit und breit keine Spur. Bis dahin mußten wir uns noch zwei Tempel bzw drei Stunden gedulden, um dann in vierzig Minuten über das Gelände zu hasten. Zwar war es recht beeindruckend, aber der 12-fache Preis gegenüber Chinesen schien uns nicht ganz gerechtfertigt. Vor dem Eingang galt es, sich der Horden von Händlern zu erwehren, die uns bestickte Taschen, Fuchsfelle oder Mini-Tonfiguren aufschwätzen wollten. Später hörten wir von anderen Travellern, denen es ähnlich ergangen war, daß auch sie Xian nicht mehr als Pflichtprogrammpunkt einer Chinareise ansähen.

Zurück in der Stadt aßen wir etwas in einem chinesischen Schnellimbiß und nahmen an einem Tisch vor einem direkt dem Gehweg zugewandten Fenster Platz. Prompt blieben mehrere grinsende Chinesen davor stehen, um wohl zu beobachten wie wir Langnasen mit Stäbchen zurechtkämen. Da wir mittlerweile genügend Übung darin hatten, aßen wir selbst Reis nahezu fehlerfrei. Ein älterer Mann mit einer Leiter über der Schulter war wohl so fasziniert, daß er seinen Blick beim Gehen nicht von uns lassen konnte. Dafür sahen wir umso besser, worauf er sich zubewegte - und im nächsten Augenblick rannte er auch schon dagegen.

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Irritiert betrachtete er den Laternenpfahl und setzte seinen Weg fort. Über die Neugierde der Chinesen konnten wir uns häufiger amüsieren: wenn wir Nachtaufnahmen mit dem Stativ machten, bildete sich schnell eine Traube um uns; ebenso reckten sich die Hälse, wenn wir unsere Rucksäcke öffneten, um nicht zu verpassen, was denn hier wohl zum Vorschein käme.

Wir wunderten uns darüber, daß die Menschen so dick angezogen waren: bei frühlingshaften Temperaturen liefen wir im T-Shirt herum, während wir bei den Chinesen manchmal bis zu sieben Oberteile und drei Hosen ausmachen konnten, die zwiebelschalenartig übereinander getragen wurden. Im Frühjahr wird auf diese Weise versucht, den Winter noch lange zu erhalten, aus entsprechenden Gründen kleidet man sich bis spät in den Herbst recht dünn - selbst wenn es schon emfindlich kalt ist.

Als nächstes Ziel hatten wir uns die Longmen Höhlen bei Luoyang vorgenommen. Doch um die 387 km mit dem Nachtzug in acht Stunden zurücklegen zu können, galt es zunächst, ein Ticket zu ergattern. Dazu stürtzten wir uns in das unübersichtliche Menschengewimmel, das - wie eigentlich überall in der Welt - als bevorzugter Arbeitsplatz von Taschendieben dient. In ständiger, aber glücklicherweise unnötiger Sorge, daß uns Gepäck oder Hosentaschen aufgeschlitzt würden, bahnten wir uns den Weg zu einem der zahlreichen Ticketschalter. Da keinerlei Beschriftung in Englisch auszumachen war, stellten wir uns irgendwo an. Damit wir auch drankamen, mußten wir tatkräftig mitdrängeln; scheinbar war alles erlaubt: Wegschubsen, Ellenbogenhiebe, Zerren an der Kleidung und vieles mehr. Gelang es uns endlich verschwitzt und erleichtert einen Zettel, der mit chinesischen Schriftzeichen unseren Fahrkartenwunsch trug, durch die kleine Luke zu schieben, geschah es nicht selten, daß diese einfach verschlossen wurde oder wir an einen anderen Schalter verwiesen wurden. Also begann das ganze Spielchen von vorn… Vom richtigen Schalter schickte man uns mit einem Gutschein zum nächsten, wo wir bezahlen sollten, bevor wir wieder woanders das Ticket erhielten. Die Anstrengungen hatten sich gelohnt, denn wir hatten den richtigen Fahrschein erhalten. In der billigsten Liegewagenklasse waren wir in einem zum Gang hin offenen Sechser-Abteil auf den beiden oberen Pritschen gelandet, was den Vorteil hatte, daß niemand gegen unsere Füße rannte, die von den für uns zu kurzen Liegen weit in den Gang ragten. Dafür nahmen wir gerne in Kauf, daß sich unter der Decke der Qualm von allen möglichen Kräutern, die geraucht wurden, staute, zumal unten rasch jede Menge Dreck anfiel und die dortigen Pritschen als Sitze für jedermann dienten.