Ulli fragt, ob wir durch Wasser reiten wollen, und da wir annehmen, dass es sich um einen Bachlauf oder ein flaches Gewässer handelt, sagen alle ja. Der alte Alfonso reitet voraus in eine Lagune hinein und verschwindet bis zu den Oberschenkeln samt Pferd im Wasser. Will er uns foppen? Wir reiten alle hinterher. Beine hochziehen bringt nichts, es ist zu tief, und so werden wir ordentlich nass bis zu den Knien. Wir hatten einen Mordsspass dabei. Ulli hatte von allen die Kameras eingesammelt und war um die Lagune herum ans gegenüberliegende Ufer geritten und hat dann von uns jede Menge Fotos gemacht. Mich hat er sogar mit Sonnenuntergang abgelichtet. Glücklich und begeistert steigen wir bald von den Pferden und sind uns einig: wir wollen wieder reiten.

Kurz vor der Fazenda liefen in der Dämmerung zwei Graufüchse über die Weiden Richtung Haus. Dort sahen wir sie später, wie sie Kiebitzeier stehlen wollten, aber die Vögel haben die Füchse dermassen attackiert und auf sie eingehackt, dass sie unverrichteter Dinge abzogen quer über die andere Weide in Richtung Kanincheneule. Dann war es für uns zu dunkel, um etwas zu erkennen.

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Wir hatten noch Zeit bis zum Abendessen, das wäre auch Zeit zum Kartenschreiben. Aber die gab es hier genau so wenig wie in der Amazonas-Lodge. Hier konnten wir Getränke und ein paar Souvenirs aus Ton oder Holz kaufen, aber nichts anderes. Es gab überhaupt keine Möglichkeit, Geld auszugeben und wir brauchten die ganze Zeit kein Geld mitzunehmen. Unsere Wertsachen haben wir alle vertrauensvoll in den Zimmern gelassen. In den 11 Jahren, seit die Pousada Aguapé besteht, ist noch nie irgendetwas weggekommen. Die 18 Menschen auf dieser Farm leben ja fast wie in einer Grossfamilie und kennen sich seit Jahr und Tag. Die Männer arbeiten mit den Pferden und Rindern und teilweise führen sie die Gäste, während die Frauen in der Küche arbeiten und die Gästezimmer in Ordnung halten. Manche kümmern sich um die Milchkühe, machen eigenen Käse, den wir auf dem Büffet immer vorfanden oder haben sonstige Aufgaben.

Diese Fazenda ist wie ein kleiner eigener Kosmos und weitestgehend autark. Die nächste Stadt und Einkaufsmöglichkeit ist 65 km entfernt. Und nur ab und zu wird mit dem Jeep das eingekauft, was die Fazenda nicht selber hat oder herstellen kann. Sie ist seit etwa 150 Jahren im Familienbesitz, und der jüngste Nachwuchs ist die kleine Luisa mit neun Monaten, eine richtige kleine Prinzessin, die von einem alten Viehhirten oft vor sich in den Sattel genommen wurde, damit sie so früh wie möglich mit Pferden vertraut wird. Luisa’s Mutter ist Joanna, die Tourismus studiert hat und gut Englisch spricht. Sie ist klein und zart und bildhübsch, dabei aber zielstrebig und selbstbewusst und sehr sympathisch.

Da Ulli die gleiche Kamera hat wie ich und sich bestens damit auskennt, kann er mir etliche Tipps zur Handhabung geben, die ich auch gleich ausprobiere. Heute Abend sind Unmengen von Insekten unterwegs, und ich fotografiere mit Ulli’s Tipps eine Riesenheuschrecke an der Wand. Um die Lampen herum schwirren Abertausende Insekten, und uns graust es vor diesen fliegenden Mistviechern, die in den Haaren hängen bleiben oder in den Kragen oder Ausschnitt fliegen. Grässlich! Ich weiss schon, warum ich alle Viecher nicht mag, die mehr als vier Beine haben. Wegen der Insekten essen wir heute bei Kerzenschein, das ist richtig romantisch. Es gibt feines, zartes Welsfilet und eine Art Gulasch aus luftgetrocknetem Rindfleisch, dazu Kürbissoufflé, Salat, Kraut und den obligatorischen Reis und schwarze Bohnen.

Im Zimmer finde ich etliche Schaben und Käfer und einen Frosch im Bad, der hoffentlich reiche Beute machen wird. Da ich noch eine Weile in dem interessanten Naturreiseführer Brasilien lesen möchte, den Ulli mir für diesen Abend geborgt hat, lasse ich natürlich das Licht an. Nach einer Weile wurde mir der Zoo aber doch zu bunt, und ich habe mit meinen Sandalen eine ganze Armada von Käfern, Schaben und fliegendem Mistzeug erschlagen. Die Ameisen im Bett fand ich dann auch nicht so lustig.