Mit der Zeit tat mir vom Dippen der Arm weh und ich setzte mich wieder ins Boot und ließ den Haken einfach mit der Strömung gleiten. Immer wieder klauten mir die Piranhas den Köder vom Haken. Immer wieder befestigte ich mehr oder weniger geduldig ein neues Stück Fleisch.
Endlich zerrte da etwas an meiner Schnur! Vorsichtig zog ich die Angelschnur zu mir, da sah ich auch schon einen zappelnden Fisch an der Wasseroberfläche. Ich hatte Angst, dass ich ihn wieder verlor und zog ihn langsam und mit viel Gefühl ins Boot. Ich ließ mich natürlich sofort mit dem Piranha am Haken fotografieren, passte aber auf, dass ich ihm dabei nicht zu nah kam. Wir wollten ihn wieder in den Fluss werfen, mussten aber erst den Haken vorsichtig aus seinem schwerbewaffneten Maul entfernen. Mit meinem Stück Holz, auf dem meine Angelschnur aufgewickelt war, wollte ich den Haken rausmachen. Bevor ich mich dem Fisch nähern konnte, schimpften alle, ich sollte nicht so dicht an den Fisch herangehen. Ein abgebissener Finger reichte schon. Richard wollte den Haken rausmachen und ich fragte ihn, ob der Fisch ihn nicht beißen würde. Schließlich war das doch mein Fisch, und ich würde das auch ganz vorsichtig machen und den gefährlichen Zähnen mit meinen Fingern nicht zu nah kommen. Gemeinsam befreiten wir den Fisch und Richard warf ihn zurück ins Wasser. 
Danach passierte nichts mehr. Keine Piranhas mehr, die Lust auf einen Freiflug ins Boot hatten.
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Gegen Mittag fuhren wir wieder zurück zur Lodge.
Nach dem Essen spielte sich das gleiche ab wie am Tag zuvor. Der große Run auf die beliebten Hängematten fand wieder genauso statt wie auf der Wiese in der prallen Sonne sportliche Betätigung ausgeübt wurde.  Damit ich nicht wieder durch planschende Touristen in meiner Ruhe beim Schreiben gestört wurde, ging ich diesmal an den See, wo ich es mir beim Schreiben auf der Treppe gemütlich machte. Nicht weit hinter mir befanden sich zwar die Hängematten, aber schlafende Menschen machen in der Regel nicht viel Lärm (außer sie schnarchen). Es war schön am See, das dunkle Wasser lag still vor mir und irgendwo da draußen im Schilf lag die Anakonda und beobachtete mich beim Schreiben. Ob sie sich mir zeigen würde? Ich hoffte es jedenfalls. Am Nachmittag kamen Birte und Norbert zu mir an den See, sie wollten eine Runde paddeln und fragten mich, ob ich nicht mitkommen wollte. Sie ahnten wahrscheinlich dass mich dieses faule „Nichtstun“ langweilte und begeistert stieg ich zu ihnen ins Boot.  Die Anakonda versteckte sich immer noch.
 Wieder in der Lodge wurden wir in die Küche gerufen. Der Koch war gerade dabei einen Kaiman zu zerlegen. Als wir das sahen, wollten einige auch mal was von dem Fleisch probieren und unser Koch wollte uns zum Abendessen ein wenig davon zubereiten.
 

Nach der Dämmerung stiegen wir, alle mit Mückenschutz eingeschmiert und mit Taschenlampen bewaffnet, in das Motorkanu am Fluss  zum Kaimane beobachten. Wir sollten die Lichtkegel der Lampen langsam über das Wasser streifen lassen. Die Augen der Kaimane reflektierten dann das Licht und sobald wir einen entdeckten, fuhren wir näher dran.  Nach wenigen Minuten sahen wir den ersten. Ich dachte immer, die seien viel größer. Aber gebissen werden wollte ich auch von den schmunzelnden Miniexemplaren nicht.
Es wimmelte nur so von Kaimanen. Der ganze Fluss war voll von ihnen. Nur sahen wir sie nicht. Sie hatten alle ihre Augen geschlossen, damit wir sie nicht entdeckten.  Auch gut, so habe ich wenigstens Filme gespart.
Ziemlich schnell beendeten wir mangels Kaimanentdeckungen unsere Nachtfahrt und kehrten zur Lodge zurück. Aber so einfach gaben wir nicht auf. Dann liefen wir halt zu Fuß durch den dunklen Urwald. Mit Stiefeln und Taschenlampen ausgerüstet  folgten wir John auf dem schmalen Trampelpfad. Langsam gewöhnten sich die Augen an die Nachtschwärze und wir konnten auch außerhalb des Scheins unserer Taschenlampen Umrisse von den Bäumen erkennen. Da ich nicht nur blind hinterherlaufen, sondern auch mal selber etwas entdecken wollte, leuchtete ich mit meiner Lampe hin und wieder  auf den Boden neben dem Weg. Es dauerte gar nicht lange, da sah ich auch schon die erste Spinne ein paar Meter neben dem Pfad. Danach noch eine. Und noch eine. Ich wurde gefragt, wie ich die denn so gut sehen konnte in der Dunkelheit. Das war ganz einfach, denn auch die Augen der Spinnen reflektierten das Licht, und ich hielt praktisch nur nach kleinen Lichtreflexen Ausschau. Manchmal wurde ich allerdings von Wassertropfen, die an den Blättern hingen, getäuscht. Es war spannend, nachts im Wald unterwegs zu sein.
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Eigentlich sahen wir mehr Tiere als am Tag. Aber etwas unheimlich war es auch. Erstaunlicherweise waren sehr wenig Moskitos unterwegs, nicht dass ich sie vermisst hätte, aber ich denke wir alle hatten mit mehr Stechviechern gerechnet. Leider war unsere Wanderung viel zu schnell vorbei. Ich wäre gerne noch etwas länger gegangen.
 
Beim Abendessen merkte keiner, dass der Kaiman auf dem Tisch zum Probieren fehlte.
Vom letzten Abend wusste ich noch, dass ich nach dem Bier so wunderbar geschlafen hatte. Also bestellte ich mir wieder eins. Das hatte ich mir aber als erfolgreiche Anglerin auch verdient. Wieder fiel ich todmüde in mein Bett.
 
 

Conga, Blasrohr und Tarantel
 
4.Januar
 
So ein blödes Bier! Kaum war ich im Bett, konnte ich auch schon zur Toilette rennen. Und das nicht nur einmal, nein, gleich drei mal in der ersten Nachthälfte! In der Folge davon hatte ich natürlich nicht besonders gut geschlafen.
Vor dem Frühstück ging ich auch gleich zum Koch in die Küche und fragte nach dem Kaimanfleisch von gestern Abend, ob er uns etwa vergessen hatte. Ja, das hatte er. Im nächsten Moment hatte ich auch schon eine große Portion vor mir stehen. Und das vor dem  Frühstück! Ich nahm einen Happen und stellte mit Genugtuung fest, dass es mir schmeckte. Ich aß alles auf, war aber danach, als es richtiges Frühstück gab schon satt. War aber nicht weiter schlimm, Günter hat sich über mein Rührei gefreut.
Heute stand wieder eine Wanderung auf dem Programm.  Natürlich wieder in Gummistiefeln. Mit der Zeit gewöhnte ich mich an sie, ganz so unbequem waren sie gar nicht. Nur, wie gesagt, auf Baumstämmen etwas rutschig. Jedenfalls fuhren wir erst mit dem Kanu ein Stück flussaufwärts bevor wir dann an Land gingen. Mit einem großen Sprung erreichten wir vom Bootsrand aus das schlammige Ufer. Außer Gaby, bei ihr hat sich das Boot selbständig gemacht, sie geriet ins Straucheln und landete mit ihrem Stiefel  im Wasser. Gut, dass sie die Gummistiefel anhatte. Schlecht, dass der Stiefelschaft nicht hoch genug war. Immerhin zeigte es sich, dass auch ihre Stiefel wasserdicht waren, denn kein Wasser tropfte heraus...
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Zuerst zeigte uns John einen Baum mit weißer Rinde. Dessen Saft hatte er gestern auf die Wunde am Finger geschmiert, das Harz sah jetzt aus wie ein Pflaster. Der spanische Name lautete „sangre de drago“, übersetzt „Drachenblut“. So viel ich wusste gab es das auch bei uns in Deutschland. Das Harz schützt die Wunde nicht nur, es hieß es beschleunige auch die Heilung. Man kann es auch in Wasser auflösen und trinken, dann sei es gut bei Magen- und Darmbeschwerden.
Wir liefen durch die wilde Natur als sei sie ein Botanischer Garten. Es fehlten nur noch die kleinen Schildchen mit dem jeweiligen Namen vor jeder Pflanze.
Die nächste, ein paar Meter weiter, war die Shigra-Palme. Deren Fasern werden zur Herstellung von Taschen und  Hängematten benutzt. Links neben der Shigra-Palme gab es das Busch-Telefon. Es bestand aus einem riesigen Baum, der auf ebenfalls riesigen Bretterwurzeln stand. Um zu telefonieren schlug Richard man mit einem Stück Holz an den Baum. Das dröhnte so sehr, dass man es noch viele Kilometer weit hören konnte. Nur fragte ich mich, woher weiß der Angerufene, dass er gemeint ist? Ob es dafür auch so eine Art Morse-Alphabet gab?
Im Schlamm entdeckten wir eine Spur, die einem Tapir gehörte. Sie stammte vermutlich von unserem großen Männchen, das wir auf der Hinfahrt im Fluss gesehen hatten. Vielleicht hatten wir ja Glück und er zeigte sich noch einmal.
Es war wirklich gut, dass wir die Gummistiefel trugen. Der Weg war sehr morastig und mit jedem Schritt wurden die Stiefel durch den an ihnen haftenden Schlamm schwerer. Bei jedem Schritt machte es ´schmatz`, und bald sah auch meine Trekkinghose nicht mehr safarigrün, sondern schlammbraun aus. Beim Laufen streifte ich nämlich sehr geschickt den Matsch von den Stiefeln an den Hosenbeinen ab. So war ich zumindest für den Fall, dass wilde Indianer uns angriffen, gut getarnt.