10.02.1998
Gegen 7 Uhr marschieren wir los. 1 500 Höhenmeter müssen wir unsere Rucksäcke nach oben schleppen! Wie gut haben es die Wolken, sie liegen auf den Bergen auf. Schwitzend, tief atmend, krauchen wir weiter. Zunächst durch einen dunklen tropischen Bergregenwald, zottig hängen Flechten und Lianen von den schorfig-flattrigen Rinden-Bäumen. Kein Quadratmeter Himmel ist sichtbar. Jetzt regnet es wieder mächtig. In unseren Regenanzügen stört es uns nicht. Das Wasser von oben wäscht den brennenden Schweiß aus den Augen.
Der Wald bleibt zurück und macht einem blühenden Steingarten Platz. Durch Nebelschwaden erkennt man den Paß Warmi Wanuska auf 4 200 m. Gegen eine Rast da oben ist absolut nichts einzuwenden. Während wir dort sitzen und auf den letzten warten, jagen die Wolken über den Grat.
Weiter geht es ‘zig Stufen abwärts, nämlich 900 Höhenmeter, bis über den Rio Pacaymayo. Später, beim Mittagsmahl, regnet es wieder kräftig, oben erkennen wir die Ruinen von Runcurakay.
Überall rauschen Wasser von den Bergen und inmitten der Wolkenfetzen sieht alles etwas geheimnisvoll aus. Unten liegt ein See, der bei Sonnenschein sicherlich postkartenblau geschimmert hätte.
Der Zeltplatz hat einen wabbernfeuchten Untergrund, wir ziehen Gräben. Als wir uns nach dem Essen im Gemeinschaftszelt zum Schlafen begeben, kann man im Mondschein die herrlichen Berge sehen.

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11.02.1998
Im Regen laufen wir dennoch los. Es geht bergauf zum Paß 3 800 m, Aufstieg Steintreppen, Abstieg Steintreppen! Es kommen die Ruinen Sayacmarca in Sicht. Im wechselnden Nebel gespenstisch anmutende Ausblicke! Die Pfade sind von den zottigen Urwaldbäumen fast zugewuchert. Regen. Es tropft, trieft, rauscht von den bewachsenen Felsen. Steig und Bach werden eins.
Die Inkas haben für ihren Weg auch Naturtunnel ausgewählt.
Vorbei an den kunstvollen Ruinen von Phuyupatamarca (3 600 m) geht es nun durch tropischen Regenwald aber tausende hohe Steinstufen bergab, bergab, bergab bis es im rechten Knie sticht.
An einer ernüchternden Stromleitung ist der romantische Weg erst ‘mal zu Ende, und wir steigen in einer Herberge ab. In einem Schlafsaal wird genächtigt. Der Führer erzählt in spanisch und englisch über die Geschichte der Inkas und malt es an eine Schultafel.
Zwei Österreicher und zwei Bayern erzählen uns ihre Erlebnisse aus Patagonien und Huaraz.
12.02.1998
Schon um 5 Uhr ein vorsichtiger Blick in das Tal: zwischen Nebelschwaden blauer Himmel! Nichts wie los. Auf dem Weg lohnen schöne Fernblicke auf Eisspitzen und auf den so tiefen Urubamba, der übrigens später Ucayaly heißt und zum Amazonas wird.
Am Berghang wuchert Urwaldflora, stellenweise sind Ruinenreste überwachsen, Schmetterlinge taumeln in der Morgensonne. Aber wir klettern wieder über Steintreppen.
Am Sonnentor (Intipuncu) blicken wir unvermittelt in die Tiefe auf Machu
Picchu, die geisterhafte, verlorene Inkastadt. Wie man es sich vorgestellt hat: inmitten dunkler Berge, umspült vom tosenden Urubamba, zwischen Nebel, Sonne und Schatten liegen die Felspyramide des Huaina Picchu und herum die Ruinen und grünen Terrassen.
Ein Dresdner namens Ulf spricht uns an. Er hat zum Schutz vor Diebstahl seinen neuen Fotoapparat arg demoliert und mit Pflaster verklebt.
Wir steigen abwärts zum Aussichtspunkt und lassen den malerischen Flecken überwältigender Schönheit auf uns wirken. An der Kontrollstelle müssen wir Rucksäcke abgeben, Erklärungen über uns ergehen lassen, und dann lösen wir uns von der Gruppe, um diese eigenartige Ausstrahlung zu genießen. Der Touristenzug hat Verspätung. So sind wir fast allein und streunen zwischen den Ruinen, Treppen und Terrassen herum. Die Sonne brennt dabei senkrecht von oben. Die Deutung vom Zweck der Bauten sind wissenschaftlich nicht erwiesen, Bezeichnungen hören sich gut an, sind jedoch nur Vermutungen. Es ist doch schön, daß es noch ungelöste Rätsel gibt. Nur eins ist sicher: 1450 erbaut, erst 1911 von Bingham entdeckt und nie von den Spaniern erobert.
Nach Mittag treffen die Besucher ein, da streben wir zum Ausgang und fahren mit dem Bus auf engen Serpentinen hinab in den Ort Aquas calientes.
Ein Indiojunge rennt geradewegs nach unten und grüßt an jeder Kehre mit „Good bye“. Außer Gelächter erhält er am Ende einen lohnenden Obulus.
Der Urubamba tost mit meterhohen braunen Stromschnellen vorbei, während wir an der Bahnstation wieder ein unbeschreibliches Treiben beobachten können. Vor dem Freisitz einer Gaststätte - auf dem Bahnsteig - lassen wir es uns gut gehen bis der Zug abfährt. Es regnet wieder tropisch. Ein Mädel besorgt mir ein T-Shirt in XXL-Größe. Sie hat’s einfach mit Kugelschreiber hineingemalt. Gegenüber zerhackt eine alte Frau auf dem Hackklotz Fleisch in Stücke. Ein Junge verkauft völlig zerflederte Postkarten mit unmöglichen Motiven für un Sol. So macht uns bis jetzt die Verspätung des Zuges nichts aus.
Er kommt angeschaukelt und ein heilloses Drängen beginnt... Stehplätze sind angezeigt. Leider dämmert es schon, als wir uns durch das romantische Tal zwängen: über 1 000 m hohe Steilwände, gerade Platz für Fluß und Schienenstrang, Notbrücken queren Wasserfälle, die Passage halb zugewachsen.
In Ollantaitambo steigen wir in den Touristenzug. Hektik. Mit Rumpeln und Schaukeln kämpft er sich höher, wieder auf 3 400 m. Das erleuchtete Cusco ist in Sicht, aber er fährt noch 50 min im Kreis und mehrmaligen Zickzack, bis er hinab zum Bahnhof rollt. Der Reisevermittler holt uns ab, noch Duschen und ohne Abendbrot ins Bett.