Tags darauf lernen wir die Trockenheit auch schmecken. Ein mehrstündiger Sandsturm be­gleitet uns auf dem Weg nach Timimoun. Es knirscht zwischen den Zähnen. Wir fahren jetzt am Südrand des Großen Westlichen Ergs – einer der gigantischsten Sandlandschaften der Sahara. Immer wieder kreuzen kleine Wan­derdünen, gepeitscht vom Wind, die Piste. Timimoun – die rote Oase – empfängt uns mit seinen Häusern und Mauern im sudanesischen Stil. Die aus rotem Stampflehm erbauten Häuser mit ihren Zinnen werden zum Teil von Sandschwaden eingehüllt. Noch immer bläst uns der kräftige Wind die feinen Körner in Augen, Mund und Nase. An fotografieren, zum Beispiel des wunderschönen Stadttores oder des berühmten Kamelbrunnens, ist kaum zu denken.

 

El Goléa – Perle der Wüste

 

Auf der Weiterfahrt am Nachmittag lässt der Sturm dann etwas nach. Gegen Abend erreichen wir verschwitzt und versandet El-Goléa – die Perle der Sahara. Die Oase mit über 120tausend Dattelpalmen wird von artesischen Brunnen versorgt. In den grünen Gärten sehen wir die verschiedensten Gemüse, Weintrauben und Rosen. Getreide kann man hier zweimal im Jahr ernten.

Inmitten eines fruchtbaren Gartens liegt auch der kleine Campingplatz. Hier treffen sich die wenigen Saharafahrer zum Gedanken- und Informationsaustausch.

Am Abend lauschen wir hier unter Palmen dem Gesang und Gitarrenspiel des Campbe­treibers. Lieder aus Algerien und Mali. Lie­der, deren Texte wir nicht verstehen, aber deren traurige Melodien auch uns die Geschichten von Dürre und Einsamkeit spüren lassen.

Bevor wir uns wieder auf dem Weg machen, betanken wir das Fahrzeug und auch die Reservekanister auf dem Dach. Die nächste Tankstelle ist 400 Kilometer entfernt – und manchmal leer, wie wir hören.

 

Im Garten des Teufels

 

Die heißen Mittagsstunden verbummeln wir noch im schattigen Grün der Palmen, um uns erst am späten Nachmittag wieder auf die Strümpfe zu machen. Unsere Reise geht nun direkt weiter über die Transsaharastraße nach Süden. Rechts und links am Horizont beglei­ten uns wieder gewaltige Sanddünen. Nach etwa 140 Kilometern zieht die schnurgerade Straße bergan. Jetzt beginnt die Reise über das Plateau Tademeit – den Garten des Satans. Diese Wüste mitten in der Wüste ist ein trostloses, sich bis zum Horizont erstreckendes Meer von schwarzen Steinen ohne jegliche Vegetation. Etwa 100tausend Quadratkilometer umfasst diese topfebene Hochfläche. Die Sonne brennt hier gnadenlos und der schwarze, glänzende Boden glüht. Ein paar Lkw-Fahrer, die sich trotzdem hier unterwegs am Rande der Piste einen genauso heißen und schwarzen Kaffee kochen, laden uns dazu ein. Mit Händen und Füßen und ein paar Brocken Französisch tauscht man sich aus nach dem Woher und Wohin. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit starten wir dann gemeinsam im kleinen Konvoi. Spät in der Nacht verabschieden wir uns dann von den Fahrern, die weiter nach Niger müssen, um ihre bestellte Ladung dort abzuliefern. Wir sind hundemüde und verbringen die Nacht mitten auf dem schwarzen Plateau. Wir schlafen wie immer im Campingbus. Fenster und Türen bleiben jedoch weit geöffnet.

Einen der heißesten Orte der Sahara erreichen wir in In-Salah. Nur alle 5 bis 10 Jahre können sich seine Bewohner über ein paar frische Regentropfen freuen. Heute freuen sie sich. Es nieselt und die Temperatur, die hier bis auf 50º ansteigen kann, bewegt sich heute mit nur knapp 40º im angenehmen Bereich. Mit Treibstoff haben wir Glück. Aber auf der Weiterfahrt fängt wieder ein feiner Sandsturm an, der uns die nächsten 250 Kilometer be­gleitet. Der Wind weht allerdings nicht so stark und hebt die feinen Sandkörner nur bis in Hüfthöhe. Es ist, als fahre man stundenlang durch gelbgrauen Bodennebel, der meist nur unterhalb der Fensterrahmen wabbert. Darüber ist die Sicht frei.

Wie ein Sandstrahlgebläse hämmert der Sand auf das Fahrzeug von vorne ein. Das große bugseitig befestigte Reserverad hält viel ab, aber Stoßfänger und die Wagenfront müssen nach der Reise doch neu lackiert werden. Das Glas der Scheinwerfer ist ebenso wie der Lack ziemlich blind. Das vordere Nummernschild haben wir gestern schon abgeschraubt.

Die Piste, die ohne festen Unterbau hier quer durch die Wüste angelegt ist, besteht kilome­terlang aus Querrillen, dem so genannten „Wellblech“ und gewaltigen Schlaglöchern. Und immer wieder queren kleine bis mittlere Wanderdünen die Straße. Teilweise sind sie steinhart und man beschädigt, ist man nicht langsam genug, schnell das Fahrwerk. Manche der Sandberge sind butterweich und man versinkt mit den Rädern im Sand, ist man jetzt nicht mit genug Schwung unterwegs. Ein Lotteriespiel. Vor uns taucht wieder eine dieser Sandzungen auf. Ich unterschätze die Höhe und hinterlistige Härte der etwa halb­meterhohen Düne. Der VW knallt zuerst in die Federn, mir reißt das Steuer aus der Hand und wir landen recht unsanft neben der etwas erhöhten Piste im weichen Flugsand. Bis zum Bodenblech steckt der rote Bus fest. Jetzt heißt es schaufeln. Eine schweißtreibende Geschichte. Aber selbst mit untergeschobenen Sandblechen gibt es kaum ein voran. Ein riesiger Lkw umfährt uns weiträumig, um nicht helfen zu müssen. Nach einer Weile haben wir Glück. Ein entgegenkommender Citroen-Pkw zieht uns mit Unterstützung von fünf kräftig schiebenden Leuten zurück auf den bröseligen Asphalt der Piste. Allah sei Dank! Auf der Weiterfahrt sind wir häufig weit ab der regulären Straße unterwegs. Schlag­löcher und Versandung lassen oft nur dort kaum ein Vorankommen zu. Jeder sucht sich hier seinen Weg selbst. Oft folgen wir alten Rei­fenspuren Richtung Süden, ohne die eigent­liche Transsaharastraße überhaupt noch zu sehen.