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Wir sahen u.a. auch einen Eselkarren, der Kuhdung geladen hatte, und daneben saß eine Frau im Sari mit Goldketten am Arm und wühlte in dem Dung und formte Fladen. Wir trauten unseren Augen kaum. In ganz Indien wird ja der Kuhdung sorgfältig gesammelt, zu Fladen geformt und an den Hauswänden getrocknet. Wenn er trocken ist, wird er aufgeschichtet und als Brennmaterial verwendet. Die Fladenstapel haben wir immer und überall gesehen und auch die Frauen, die die Körbe auf dem Kopf trugen und die Fladen einsammelten.

Nachdem wir Ghandi’s Grab bzw. Verbrennungsstätte besichtigt hatten, fuhren wir an der Stelle vorbei, an der der Sohn Indira Ghandi’s mit dem Flugzeug abstürzte und zu Tode gekommen war. Damals hat ganz Delhi gefeiert und gejubelt, denn Sanjai war sehr verhaßt in Indien.

Wir sahen uns noch verschiedene Tempel und Bauten an und wurden zum Mittagessen in das für indische Verhältnisse beste Restaurant am Platze gebracht, wo wir à la carte essen konnten. In dem Lokal war eine Klimaanlage, aber so kalt und zugig, daß man Angst haben mußte, sich einen steifen Nacken oder eine Erkältung zu holen. So habe ich mir die Stoffserviette während des Essens in den Nacken gelegt.

In diesem Lokal haben wir typisch indisch gegessen, d.h. auf jeden Fall vegetarisch, denn die Hindus essen kein Fleisch, weil in jedem Tier eine menschliche Seele wohnen soll. Die Hindus glauben an die ewige Wiedergeburt in Form von Mensch oder Tier, daher dürfen sie natürlich kein Fleisch essen. Das Essen bestand aus Reis und gemischtem Gemüse und einer sehr, sehr scharfen, undefinierbaren Soße.

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Es war gar nicht so übel. Getrunken haben wir Himalaya-Wasser. Dieses Wasser kommt tatsächlich aus den Flüssen des Himalaya und wird auf mühsamem Weg nach Indien geschafft. Eine 0,5 l Flasche kostet auch über DM 3. Und da wir in den ersten 8 - 10 Tagen in Indien täglich ca. 5-6 Liter Flüssigkeit pro Nase zu uns nahmen, gingen die Getränke unheimlich ins Geld, zumal das abendliche Bier je nach Hotel zwischen DM 5,50 und 7,50 DM kostete pro Flasche. Das war also ein echter Kostenfaktor, den wir nicht bedacht hatten. Das übliche Mineralwasser oder Soda schmeckte von Flasche zu Flasche anders, meistens schlecht, faulig, brackig oder schlicht nach nichts oder abgestanden. Aber die süße Limonade nutzte gegen den Durst nicht viel. Kaum hatte man diese Minifläschchen leergetrunken, klebte einem der Hals schon wieder. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht soviel getrunken wie in Indien. Dabei mußte ich kaum einmal auf die Toilette, sondern habe alles wieder ausgeschwitzt.

Nach dem Essen gingen wir zum Elfenbein-Palast ein paar Meter weiter. Unter den Arkaden krochen und humpelten Bettler und Krüppel entlang, aber so elend, wie ich das noch nie gesehen hatte und mir auch nicht hätte vorstellen können. Eine hatte ganz schlimme Lepra an den Händen, war halbblind und auch noch an den Füßen gelähmt. So schob er sich mühsam über den Weg. Dann kam einer, dem fehlten die Beine, er hockte auf einem Autoreifen, hatte zwei Holzklötze in den Händen und schob sich so vorwärts. Dazwischen überall bettelnde, zerlumpte und vor Dreck starrende Kinder. Kaum kann ein Kind laufen, muß es schon das nächste Geschwisterchen tragen. Wir waren entsetzt und wie gelähmt angesichts soviel menschlichen Leids und hoffnungslosen Elends. Wir haben nicht nur an diesem ersten Tag in Indien mehrmals mit den Tränen gekämpft und kein Wort mehr herausgebracht, und das blieb auch während der ganzen Reise so. Bei allen Schilderungen und Beschreibungen Indiens kann man sich die Tatsache einfach nicht vorstellen, wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat. Und das vergißt man nie wieder! Umso unverständlicher ist uns, wie die indische Regierung Millionen und Millionen in den Bau von Atomwaffen steckt. Uns ist schleierhaft, wie man angesichts solchen Elends nicht das Bedürfnis oder die Pflicht verspürt zu helfen, wenn man in der Lage dazu ist. Wenn man hört, daß sogar Reis von Indien nach Rußland exportiert wird, während im eigenen Land Millionen Menschen hungern, dann fehlt mir dafür jegliches Verständnis.

Es hat natürlich auch nicht viel Sinn, den Bettlern etwas zu geben. Die zwei, drei Rupies (ca. 35 Pfennig je Rupie) reichen für ein oder zwei Tage aus, dann hungern sie wieder. Und es gibt ja so eine Unzahl armer Kreaturen, daß man gar nicht jedem etwas geben kann. An diesem ersten Tag haben wir nicht glauben können, daß es noch schlimmere Städte als Delhi geben kann, aber dann haben wir sie mit eigenen Augen gesehen und mit dem Herzen erfahren.