Wir fahren durch endlose Edelweißwiesen und sind total begeistert von dieser herrlichen Landschaft. Die Stimmung im Bus ist bombig, und Lothar und Dieter bringen wieder alle zum Lachen. Lothar ist ein geistreicher, witzig-charmanter und sehr schlagfertiger Endvierziger, der die seltene Gabe hat, immer und überall Brücken zwischen den Menschen zu schlagen. Dieter hat ein paar weibliche Gene zuviel abbekommen, denn er lacht wie eine Frau mit vielen Juchzern. Wir wissen oft gar nicht, worum es geht, aber allein dieses Lachen von Dieter bringt den ganzen Bus zum Mitlachen.

Der erste schneebedeckte Berggipfel mit 2.968 m läßt sich blicken, wir fahren immer weiter nach Norden am Tamirfluß entlang in das Gebirge hinein. Die umliegenden Berge sind zwischen 2.100 und 2.900 m hoch. Dann kommen wir zur Tschuluut gol-Schlucht. Der Tamir hat sich hier canonartig eine bis zu 50 m tiefe Schlucht in die Lavamassen gegraben, die aus dem Chorgo-Vulkan und seinen Nebenkratern stammen. Wir befinden uns inzwischen auf 1900 m.ü.M. und kommen langsam in ein einsames Hochtal, in dem immer wieder Skelette verendeter Tiere liegen. Hier verleiht das Wechselspiel von Wolken, Schatten und Licht den Bergen reizvolle Kontraste.

 

Gott sei Dank gibt es aber kaum Verkehr, so daß die alten Furchen bald wieder überwachsen sind und die Landschaft nicht nachhaltig verschandeln. Im kleinen Ort Chohot machen wir halt und bekommen von den freundlichen Menschen zum ersten Mal Airag angeboten. Airag ist vergorene Stutenmilch, die angenehm säuerlich-frisch schmeckt. Ungewohnte müssen mit Airag etwas aufpassen, da er eine durchschlagende Wirkung auf das Verdauungssystem hat und einen sehr bald zwingt, „nach den Pferden zu schauen", wie die Mongolen die Toilettensuche im Freien nett umschreiben.

Wir fahren weiter durch eine total einsame, unbesiedelte Landschaft voll grün überhauchter, sanfter Hügel. Hier sehen wir auch die ersten Adler, die ebenso wie die vielen übrigen Greifvögel - Milane, Bussarde, Falken usw. - mangels Bäumen auf dem Boden brüten und die dank der zahllosen Ziesel und Mäuse ein sehr reichhaltiges Nahrungsangebot vorfinden. Diese kleinen flinken Ziesel sehen aus wie Erdhörnchen und flitzen in Unmengen durch das Gelände. In diesem einsamen, stillen Land macht unser großer Bus natürlich einen Heidenlärm, der schon von weitem zu hören ist. Erstaunlich, daß wir dennoch viele Wildtiere zu Gesicht bekommen.

Unsere Mittagspause machen wir heute bei einem großen Owoo inmitten von zahllosen Edelweißblüten. Owoos sind weithin sichtbare Zeichen der Verehrung der Berggottheiten in der Volksreligion. Es sind Steinhügel, die auf Bergen oder Paßhöhen errichtet werden. Jeder sie Passierende hält an und fügt drei neue Steine hinzu, wobei er den Owoo dabei dreimal im Uhrzeigersinn umschreitet. Auch Opfergaben wie Münzen, Geldscheine, Fett und zunehmend auch leere Flaschen und auch Krücken werden abgelegt. Krücken dürfen als einziger Gegenstand wieder weggenommen werden, wenn man sie benötigt. Wenn man genesen ist, werden die Krücken wieder an einem Owoo abgelegt. Wir sahen überall in der Mongolei Owoos, manchmal in beachtlicher Größe.