15. August – Mein schwarzer Tag

 

 

Es regnet und regnet, die ganze Nacht hindurch. Als ich aus dem Zelt krieche, ist der Bach, an dessen Ufer wir unser Lager aufgeschlagen haben, auf die doppelte Größe angeschwollen. Der Wind rüttelt an den Spannseilen. Wir bleiben noch ein bisschen im Zelt, vertreiben uns die Zeit mit Würfelspielen und warten, ob der Wind die Regenwolken fortpustet. Doch er tut uns nicht den Gefallen. Da hilft alles nichts, wir müssen weiter, hinaus ins Nasse.

 

Wie ein Spielball schiebt uns der Wind voran. Ich weiß nicht, welche Windstärke das ist – ich weiß nur, dass ich sehr aufpassen muss, um nicht im Straßengraben zu landen. Eigentlich wollten wir im Nationalpark Skaftafell eine längere Pause einlegen, um die Schönheiten des Gletschers auf gekennzeichneten Wanderwegen zu erkunden. Doch dann beschließen wir, wegen des Windes lieber weiterzufahren, um noch ein paar Kilometer unter die Reifen zu bekommen.
Ich habe meine Kapuze unter den Fahrradhelm geklemmt und höre so den Bus nicht, der sich von hinten näher. Plötzlich werde ich von einer Windböe erfasst und nach links geschoben. Bremsen kreischen, Sekunden werden zu Minuten. Kurz vor dem Zusammenstoß kommen wir beide – der Bus und ich – zum Stehen. Da hatte ich aber einen mächtigen Schutzengel gehabt! Die Erleichterung steht sowohl dem Busfahrer, der aus dem Fenster herab schaut, als auch mir ins Gesicht geschrieben. Mit weichen Knien fahre ich weiter.
Der Wind weht mit unverminderter Stärke, doch der Regen pausiert. Erst gegen Abend ziehen wieder dicke Regenwolken auf und im gleichen Maße sinkt meine Stimmung. Außerdem wird diese Region Islands landschaftlich stark genutzt, und wir haben das erste Mal auf unserer Reise Schwierigkeiten, ein Nachtlager zu finden. Entweder liegen eingezäunte Wiesen oder abgesperrte Lavafelder neben der Straße. Kurz bevor ich endgültig die Nase voll habe, finden wir ein nettes Plätzchen auf einer schönen Wiese am Fluss. Nur noch über das Viehgatter – endlich Ruhe. Weit hinten funkelt ein Licht durch den Regen. Vermutlich von dem Hof, auf dessen Grundstück wir uns befinden. Eigentlich müssten wir uns dort die Erlaubnis zum Übernachten holen; es ist ja Privatgrundstück, auf dem wir unser Zelt aufschlagen. Aber wir sind so müde… Mitten im Abendessen (immer noch in Regenkleidung und immer noch bei Tütensuppe mit Nudeln) kommt auf einmal eine Herde Jungvieh auf uns zugetrottet. Wir haben uns ausgerechnet an deren Wasserstelle niedergelassen und nun wollen sie wissen, was wir so tun. Sie kommen näher, immer näher. Hilfe!