Tag 29, Freitag 06.02.2009
Von hemmungslosen Blutsaugern, perfiden Wallabies und steingewordener Gelassenheit
 
Der erste Halt des Tages ist einer der vielen scenic lookouts. Aus etwa 20 Metern Höhe schauen wir auf die Küstenlinie. Wie Perlen auf der Schnur wechseln sich langgezogene, schmale oder tief ausgeschnittene Buchten ab. Weiß schäumend laufen die Wellen in kurzen Abständen auf den Strand und zeichnen in der Sonne schnell verblassende Bögen in den Sand. Nach ein paar Metern erheben sich dann die erstaunlich grünen Hügel. Auf den sandigen, kargen Bögen wachsen windgebeugte Büsche und Sträucher mit knorrigen Stämmen und Ästen. Wer hier lebt, muss mit dem Wenigen auskommen, das das Land hier zu bieten hat, nämlich Sand, Wind und Sonne. Davon gibt es dafür reichlich.
 
Die Aussicht auf ein Bad in der Brandung ist verlockend. Unsere Badesachen haben wir heute Morgen gleich angezogen, deshalb schnappen Martin und ich uns nur noch ein Handtuch und machen uns an den Abstieg. Ein schmaler Sandweg führt zwischen den Büschen entlang nach unten. Gleich zu Beginn lässt uns eines der typisch australischen Warnschilder aufmerken, weil es leider nicht vor Wombats, Koalas oder Kängurus, sondern vor Schlangen warnt.
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Ich nehme das verkratzte Schild ernst; ich kann mir gut vorstellen, dass ein paar von den Viechern hier ihre Bleibe haben. Und bestimmt sind wir heute Morgen die ersten, die sie wecken. Also Vorsicht. An einer Weggabelung biegen wir falsch ab, der schmale Pfad verliert sich im Gebüsch. Aber sein Gegenpart führt uns zum Strand. „Schön hier“, können wir gerade noch denken, da stürzen sie sich auf uns: Ein kleiner Schwarm ausgehungerter australischer Bremsen begrüßt uns stürmisch. Wir haben schon vereinzelt mit ihnen Bekanntschaft gemacht, an sonnigen Stränden scheinen sie besonders aktiv zu sein. Und solange man sie nicht getötet hat, geben sie es nicht auf, einen zu beißen. Und so ein Bremsenbiss tut erstaunlich weh. Mit Mundwerkzeugen wie winzige Säbel, so können wir später nachlesen, reißen und schneiden die Bremsen Fleischstückchen aus ihrem Opfer. Das austretende Blut lecken die Tiere genüsslich auf. Das ist nicht nur schmerzhaft, sondern auch eklig. Und jetzt sind wir gleich einem ganzen Dutzend der dicken, schwarzen Blutsauger ausgeliefert. Mit Handtuch und Händen panisch um uns schlagend, rennen wir über den Strand. Von oben muss es ein amüsantes Schauspiel sein. Der Busladung britischer Rentner, die hoch über uns gerade den scenic lookout beschlagnahmt, bieten wir wahrscheinlich eine grandiose Vorstellung plötzlich auftretenden Wahnsinns, mit wütenden Schreien, hilflos fuchtelnden Armen und wild ausschlagenden Beinen. Es ist vollkommen aussichtslos, hier können wir nicht bleiben. In Rekordzeit stürmen wir den Weg bergauf zurück; auf Schlangen können wir jetzt keine Rücksicht mehr nehmen, wir haben schlimmere Feinde. Sie haben blutgeleckt und verfolgen uns bis zu unserem Mitsubishi. „Autoschlüssel, wo ist der Autoschlüssel!“ Schnell rein und Tür zu. Uff, das war knapp. Wutschnaubend vor Enttäuschung über die entgangene Beute setzt sich ein besonders großes, ekliges Exemplar auf unsere Windschutzscheibe. Mit dicken Facettenaugen stiert es uns bedrohlich an. Aber jetzt sind wir dran, der Scheibenwischer verschafft Abhilfe und Genugtuung: „Nimm das, du Mistvieh!“