Nach diesem Ereignis führt unsere Tagesetappe zunächst durch den Otway Nationalpark. Statt Meeresblau umgibt uns jetzt zu beiden Seiten des Autos dichtes Grün. Bis zur Straße und darüber hinaus reichen die Farne und Sträucher. Ein Wallabie jagt uns einen Schrecken ein, als es gerade in dem Moment bis genau an den Straßenrand hüpft, als wir an ihm vorbeirauschen. Als wäre es Absicht gewesen. Und wer weiß, vielleicht prahlt es abends vor seinen Wallabie-Kumpels: „Hey mates, heute habe ich wieder zwei Touristen erschreckt. Die Gesichter hättet ihr mal sehen sollen!“
 
Gar nicht plötzlich, sondern ganz wie erwartet taucht unser nächstes Ziel vor uns auf: die zwölf Apostel. Egal wie viele Bilder man vorher von ihnen gesehen hat, egal mit wie vielen anderen Touristen man sich den Aussichtspunkt teilt: Wenn man dort steht, mit Wind im Gesicht und Sonne auf der Haut, ist die Felsformation ein unvergesslicher Anblick. Porös und trocken, in horizontalen Schichten von einem sandigen Ocker bis zu einem ausgeblichenen Weiß stehen die Brocken in den brechenden Wellen, so rau und so schön.
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Wie ein Sinnbild der Gelassenheit ragen die Felsen aus dem Meer, als könne das Tosen von Wind und Salzwasser ihnen nichts anhaben. Blau, türkis und weiß schwappt es unbeachtet um sie herum. In Wahrheit ist das Gegenteil der Fall. Ständiger Wellengang setzt dem Sand- und Kalkstein des Festlands unablässig zu, spült Höhlen aus und lässt Klippen herabbrechen. Und wenn der Zufall es will, bleibt ein Teil des ehemaligen Festlands als Felsnadel vor der neuen Küstenlinie stehen. Phantastische Formen sind so entstanden, schlanke Minarette, schwere Kathedralen, hohe Bögen und niedrig geduckte Buckel. Und es geht weiter, denn das Meer lässt nicht locker. Erst 2005 ist ein Pfeiler der zwölf Apostel in sich zusammengestürzt. Und bestimmt schält sich ein Ersatz bereits aus dem Stein heraus.
 
Hier ist es schön, hier bleiben wir. Eine sonnige Holzbank wird für ein kleines Nickerchen auserkoren. An einem so tollen Ort muss man, übervoll mit Eindrücken und Bildern, auch mal pausieren, die Augen schließen und das Gesehene sacken lassen. Erst darf ich die Augen zu machen, während Martin mich vor Mücken und Bremsen beschützt, die auch hier vereinzelt auf Stippvisite vorbeikommen. Dann wird getauscht. Gut, wenn man sich aufeinander verlassen kann.
 
Nach ein paar Kilometern wartet schon die nächste Attraktion auf uns. Auf einer Länge von 150 Metern hat das Meer die Küste unterspült, doch noch hält der Kalkstein größtenteils, nur vor unseren Füßen öffnet sich ein tiefer Krater. Der weiße Sand am Boden leuchtet hell aus dem dunkelblauen Wasser, das sich seinen Weg bis hierher gebahnt hat.
 
Spätmittags legen wir einen Badestopp in Port Campell ein. Die Sonne scheint, das Wasser ist ruhig, wenn auch nicht ganz klar. Vorsichtig wie immer versuche ich trotzdem zu erkennen, wo ich unter Wasser hintrete. Martin ist da forscher und findet meine Sorgen übertrieben, als ich ihn auf etwas hinweise, das sich etwa zwei Meter vor uns auf dem Meeresboden befindet. „Das ist nur ein Stein. Und daneben liegt ein Stock, weiter nichts“, tut er meine Bedenken ab und will weiter ins Wasser hineinwaten. Aber so schnell kann ich meine angeborene Feigheit nicht überwinden. Und überhaupt liegen hier sonst überhaupt keine Steine herum und so schnurgerade Stöcke verirren sich meines Wissens auch nur selten ins Meer.