Der Himmel ist schon fast schwarz, als wir am nächsten Morgen in die Pedalen treten. Wir kommen trocken bis Groß Neuendorf und haben riesiges Glück, denn am Radweg steht ein Schild „Kaffee und Kuchen“. Wir biegen ab und gleich hinterm Deich steht ein Fachwerkhaus mit einem großen Sonnenschirm davor, der uns jetzt als Regenschirm dient. Berliner gibt es nicht, dafür selbst gebackenen Apfelkuchen mit Sahne, hm, lecker. Hier müssen wir vorerst ausharren, der Himmel hat seine Schleusen geöffnet. Nach dem dritten Pott Kaffee lässt der Regen nach und wir steigen mutig auf unsere Drahtesel. Lange geht das nicht gut, es gießt schon wieder wie aus Kübeln. Wir sind aber kurz vor einem Pegelhaus, direkt am Deich gelegen. Das Haus hat ein kleines Vordach und der Wind kommt von der anderen Seite, so dass wir dicht an der Wand gelehnt unter dem Dachüberstand trocken stehen und über den Fluss blicken können. Wir haben jetzt Zeit für Beobachtungen - notgedrungen. Je stärker der Regen wird, desto mehr Wasservögel verstecken sich im Schilf, oft sind alle verschwunden.
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Lässt das Geplätscher nach, kommen sie wieder hervor und schwimmen oder fliegen über den Fluss. „Ich hätte jetzt gern Federkleid und Bürzeldrüse wie ein Wasservogel“ sage ich zu Werner und er versteht meinen Wunsch, denn er weiß, dass mir kalt ist - er schwitzt in seiner Wetterjacke. Der Regen will nicht aufhören und wir haben Zeit für weitere Betrachtungen. Von der Dachrinne des Pegelhäuschens hängt eine Kette bis ins Gras herunter. Wird der Regen schwächer, tropft es nur von Kettenglied zu Kettenglied. Fängt es an zu gießen, wird die Kette zu einem Wasserfall. Ohne Dauerregen hätten wir nicht das Versteckspiel der Vögel und die Verwandlung der Kette erlebt, auch nicht den Regenbogen, der sich über den Fluss wölbt und uns nach einer guten Stunde das Signal zum Weiterfahren gibt. Es tröpfelt zwar immer noch, aber wir müssen hier weg, uns im Notfall eine feste Unterkunft besorgen.
Es ist kaum zu glauben, aber bald zeigt sich die Sonne. Unsere nassen Sachen sind ruckzuck trocken, mir ist wieder warm, die Laune bessert sich schlagartig, auch wenn wir wieder gegen den Wind ankämpfen müssen. Wir radeln über den teils schnurgeraden Deich, links schlängelt sich die Oder, rechts entdecken wir Sonnenblumenfelder, Bienenkästen und Storchennester mit Jungvögeln. In letzter Minute bemerke ich das Schild „Eichenhof“.. Ja, das ist doch der Bauernhof vor Lebus, von dem das Pärchen in Mescherin so geschwärmt hatte. Wir haben trotz Zwangspause 70 km geschafft, hier halten wir an. Der Bauer zeigt uns die Zeltwiese, stellt uns Tisch und Stühle hin, gibt uns den Schlüssel für das komfortable Bad und bringt uns Eier frisch aus dem Nest. Eine echte Entschädigung für Regen und Kälte.