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Unterwegs haben wir dann noch oftmals die herrlichen Korallenbäume bewundert, an denen ich mich nie sattsehen konnte. Dann haben wir gedöst, bis wir nach Jhansi kamen, einem kleinen Nest, wo wir tanken konnten, was in Indien gar nicht selbstverständlich ist, da das Benzin zeitweise rationiert ist und nur mit Genehmigung des örtlichen Kollektors zu bekommen ist. Jeder Liter wird eingetragen, und es ist nie ganz sicher, daß man Benzin bekommt. Im Übrigen stinkt dieses Benzin in Indien ganz scheußlich. Wenn man durch die Straßen geht, mag man überhaupt nicht atmen, so stinkt das Benzin im Zusammenklang mit vielen anderen Gerüchen, die unsere Nase manches Mal arg kränkten.

Hier in Jhansi ließen wir alle schon die Flügel hängen, und Sigrid verkündete, daß es laut ihrem Thermometer doch tatsächlich 44 im Bus seien. Aber wir hatten das Gefühl, kurz vor dem Verdampfen zu stehen, so eine teuflische Hitze herrschte. Bei jedem Busstop stürzten alle auf den nächstbesten Getränkestand und plünderten ihn. Einer hatte zu schnell eine eiskalte Cola getrunken, und kurz nach dem Start mußten wir halten, weil er sich übergeben mußte. So manchen ging es ernstlich schlecht. Durchfall und Magenbeschwerden über mehrere Tage können einen schon schachmatt setzen. Und was hatten unsere Körper hier nicht alles auszuhalten! Wir waren ja auch von Klima und Lebensbedingungen sehr verwöhnte Menschen. Gegen 13.30 Uhr kamen wir dann in Kjajoraho an, wo tatsächlich ein gefüllter Swimmingpool auf uns wartete. Er brauchte nicht lange zu warten, da waren wir alle im Wasser und fühlten uns wie Gott in Frankreich. Erst durch enorme Strapazen und Verzicht werden vermeintliche Selbstver-ständlichkeiten zu Hochgenüssen.

Auf dieser Reise sind wohl so ziemlich alle menschlichen Empfindungen irgendwann mal wachgerufen worden, denn bei solch extremen Bedingungen ist ein normales, gleichmässiges Leben wie bei uns einfach unmöglich. Ich bin sicher, daß ausnahmslos jeder anschließend die Erkenntnis mit nach Hause nahm, welch ein verdammt gutes Leben wir in Deutschland haben. So kann z.B. ein Glas sauberes, kühles Wasser das Gefühl der größten Dankbarkeit hervorzaubern.

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Zu Hause denkt man gar nicht darüber nach oder es würde einem gar nicht einfallen, einfach ein Glas Wasser zu trinken. Vielleicht macht die Reise durch so ein extremes Land einen bewußter und menschlicher und nichts ist mehr so selbstverständlich wie bisher.

Wir fingen in diesem Swimmingpool noch eine dicke Kröte und beobachteten eine Anzahl Wasserkäfer, die mit uns tummelten. Zu Hause hätte sich jeder darüber aufgeregt. Wir tranken kühle Köstlichkeiten und brachen dann gegen 15.00 Uhr zur großen Besichtigung der Tempelanlagen auf, die uns jedoch den allerletzten Nerv raubte. Von den ehemals 80 Tempeln sind noch 20 sehr gut erhalten, die anderen stehen nur noch als Ruinen da. Das Ganze befindet sich auf einem riesigen, parkähnlichen Gelände mit Rasen und blühenden Büschen. Wir hatten dort einen indischen Führer, der ganz gut deutsch sprach, aber dann war unsere Aufnahmefähigkeit und -willigkeit einfach erschöpft, zumal alle Tempel sehr ähnlich waren. Es handelte sich hier um die berühmten Tempel, die mit erotischen Darstellungen übersät sind. Das ist alles sehr schön und kunstvoll gemacht und wirklich bewundernswert, aber wir konnten einfach nicht mehr. Stattdessen hielten wir Einkehr in ein Lokal, das von Schweizern geführt werden sollte, und wir konnten es kaum glauben und stellten uns Schweizerische Sauberkeit vor. Aber weit gefehlt! Es war eine üble, dreckige Angelegenheit mit scheußlichem Mineralwasser und muffiger Bedienung. Die Schweizerin, der dieses Lokal gehörte, war wohl als Hippie hier hängengeblieben.

Wir fuhren mit Rikschas zurück zum Hotel und verbrachten den Rest des Tages bei kühlen Getränken am Swimmingpool, wo es sich gut aushalten ließ. Später, nach dem Abendessen, das aus frischem Salat und einer Suppe bestand, gesellte sich Franz zu uns und erzählte von seinen Reiseerlebnissen. Er hatte auch einen Zinnsarg auf dem Gepäckträger, falls einer das Zeitliche segnen sollte während der Reise. Das kam offensichtlich gar nicht so selten vor, weil ja sehr viele alte Leute solche Reisen mitmachen. 75 oder 80jährige sind bei Rotel keine Seltenheit, und da weltweit rund 65 Busse fahren, kann es natürlich vorkommen, daß es einen Todesfall gibt. Wir haben jedenfalls viel gewitzelt über unseren Zinnsarg und dachten mit Sorgen an unsere Oma mit 79 Jahren, die anfing, verwirrt zu werden. Sie wußte zeitweise gar nicht mehr, wo wir waren und irrte morgens an sämtlichen Hotelzimmern entlang auf der Suche nach unserem Bus. Später dann, in Benares, hatte sie den ganzen Tag anstelle von Tee irrtümlich Whisky getrunken und war wirklich nicht mehr reisefähig. Sie fing im Bus an, sich auszuziehen, weil sie auf Toilette wollte! Und da wir noch einige sehr anstrengende Strecken vor uns hatten, wurde sie von Veronika ins Flugzeug gesetzt und nach Kathmandu geflogen, wo sie auf uns warten mußte. Den Arzt und das Hotel wie auch den Flug mußte sie selbst bezahlen, und so kam sie in arge finanzielle Bedrängnis.

Mit uns im gleichen Hotel waren auch Neckermänner, die uns teilweise bewunderten, teilweise auch hochnäsig auf uns herabsahen oder uns schlichtweg für verrückt hielten. Wir trafen jedenfalls etliche davon immer wieder bis nach Kathmandu, und es behagte denen gar nicht, daß wir für das halbe Geld das gleiche sahen. Übrigens war Neckermann unheimlich bekannt, vor allem in Nepal. Wir wurden immer wieder als Neckermänner angesprochen, in englisch und teilweise von kleinen Jungen auch in Deutsch. Das haben sie von den Touristen schon gelernt. Trotzdem sind wir insgesamt nur sehr wenigen Touristen begegnet. Indien ist halt doch kein Urlaubsland, sondern immer auch ein anstrengendes Land, auch wenn man in Luxushotels untergebracht ist.

Gegen 23.00 Uhr schleppten wir unsere Matratzen an den Rand des Swimmingpools, wo wir dann eine recht gute Nacht verbrachten und die Inder verstehen konnten, die freiwillig im Freien schlafen. Kurz vor 5.00 Uhr standen wir dann auf, frühstückten ordentlich sogar mit Wurst, denn Sigrid und Lissi hatten Wurstdosen und Schmierkäse mitgenommen. Um 7.00 Uhr ging’s dann wieder rein in den Bus und ab in Richtung Benares. Diese Fahrt dauerte den ganzen Tag und führte großenteils über schlechte Straßen, Baustellen und an sonstigen Hindernissen vorbei. Die Ärmsten auf der letzten Bank hatten zeitweise nichts zu lachen, aber sie nahmen die ganze Sache doch mit viel Humor.

So fuhren wir durch Teakholzwälder und durch den Wald, in dem sich Kiplings Dschungelbuch abgespielt hat. Hier gibt es tatsächlich Affen, Tiger, Rotwölfe und natürlich die allgegenwärtigen Geier. Die Straße führte uns steil bergan, wurde eng und schmal und immer schlechter. Jetzt sahen wir häufig riesengroße Mangobäume, die viel Schatten spendeten, den Mensch und Tier hier suchen. Zwischendrin sahen wir ein Kalkstein-Fließband aus Menschen, d.h. die Menschen warfen sich gegenseitig Kalkbrocken zu, die der letzte der Reihe von sicher 30 Menschen in den Ofen warf. Bei einem weiteren Stop sahen wir viele Frauen, die am Fluß ihre Wäsche wuschen, und wieder kamen jede Menge Kinder zu uns gelaufen und hielten die Händchen auf. Oben an der Straße hatte jemand sein Fahrrad mit den Überresten eines Kadavers beladen, die entsetzlich stanken, was den Mann aber keineswegs störte im Gegensatz zu uns.