Am Fuße des Tafelberges befanden sich in der Bergstation die "Befreiungshallen", wie Erwin originellerweise die Toiletten nannte. Und nach dieser langen Fahrt war es für uns wirklich eine Befreiung in jeder Hinsicht.

Wir erfuhren sogleich, daß der Tafelberg nicht nur nebelfrei, sondern auch noch sonnig und windstill sein sollte, was einem Sechser im Lotto gleichkommt und entsprechend selten ist. Aber wenn Engel reisen... es hat sein sollen, dachte ich. Und dann fuhren wir mit der Seilbahn in schwindelerregender Fahrt hinauf zur "Tafel" mit Blick auf pelargonienbewachsene Hänge, auf den Atlantik und die märchenhaft unter uns liegende Stadt. Was für ein Anblick! Wir waren überwältigt und begeistert. Aber erst einmal oben auf dem Berg angekommen, verschlug es uns vollends die Sprache: der Blick auf den tief unter uns heranbrausenden Atlantik, auf die zwölf Apostel, wie die großen Felsgipfel entlang des Atlantik genannt werden, auf die so harmonisch zwischen die Felsen eingefügte Millionenstadt, war einfach überwältigend. Dazu Sonnenschein, ein leichter Wind und noch viele freie Tage in Aussicht, das war fast zuviel des Guten. Stumm und ergriffen lief ich zwischen den Felsen hindurch, betrachtete die ersten Proteen aus der Nähe - im Moment blühten gerade die Nadelkissen-Proteen, eine wunderschöne Art von den insgesamt 82 - und entdeckte jede Menge neue und unbekannte Blüten. Ich war ganz in meinem Element und genoß.

Dann entdeckte ich, wie der gefürchtete Nebel plötzlich auftauchte und dann wie ein Wasserfall in Zeitlupe über den Fels in eine Schlucht lief. Sowas hatte ich noch nie gesehen, es war einfach unwahrscheinlich, und wir standen bloß und staunten über dieses Naturschauspiel. Tatsächlich wie ein Wasserfall floß der Nebel die Schlucht hinab, und dann kam er immer näher und näher, und wir - das waren Ulla, Uwe und ich - dachten an Erwin’s Warnung, daß wir sofort die Station anpeilen sollten, wenn der Nebel kommt, weil man sonst jegliche Orientierung verlieren und stundenlang umherirren kann. Und in der Tat kam der Nebel derart schnell heran, daß wir fassungslos bemerkten, wie der feuchtkalte Hauch sofort die Sonne verdrängte und sich über alles legte. Schleunigst machten wir kehrt in Richtung Seilbahn, und wir hatten Glück. Dort wurde der Nebel langsamer und ließ uns auch bei klarer Sicht und Sonnenschein die Seilbahn und anschließend die Erde wieder erreichen.

Mein Gott, was für ein Erlebnis! Wir waren alle ganz beeindruckt und redeten wild durcheinander. Diese Begeisterung mußte man einfach mitteilen. Und was für ein Glück wir hatten: jetzt, als wir abfuhren, legte sich das Nebel-Tischtuch zusehends über die Tafel, und als wir kurz danach aus einigen Kilometern Entfernung noch einmal zurückschauten, war der ganze Gipfel unter einer dicken Wolkendecke verschwunden. Wir waren selig, daß es uns vergönnt gewesen war, hinaufzufahren und die seltsame Welt des Tafelberges ein wenig kennengelernt zu haben.