Wir hielten mitten in der Stadt und besichtigten zuerst ein altes Castell, in dessen Innenhof gerade ein Film über alte Zeiten gedreht wurde. Eine Pferdekutsche mit schönen Friesenpferden wurde von einem schwarzen Kutscher in Originalkleidung gelenkt, und zwei Frauen in den traditionellen Kleidern mit Schutenhütchen standen dabei. Ein Herr mit Zylinder und Frack tauchte auf, und wir knipsen die Szene fleissig. Und ringsherum liefen eine Menge Soldaten. Da ich unserem Stadtführer - Rudi hieß er - nur mit halbem Ohr zugehört habe, kann ich jetzt nicht mehr genau sagen, ob das nun eine Art Militärakademie war oder nicht. Ist ja auch nicht so wichtig.

Danach fuhren wir durch die feinste Wohngegend von Kapstadt und waren wieder einmal platt. Das sollte Afrika sein? Dort standen die traumhaftesten Villen, Häuser und Beinahe-Paläste voller Luxus inmitten wunderschöner, gepflegter Grünanlagen, Gärten und Parks. Und der einzige Schwarze, der in diesem Viertel lebt, ist doch tatsächlich der Erzbischof Desmond Tutu, der die Gewalt gegen die Weißen predigt. Welch ein Hohn!

Und dann fuhren wir zum berühmten botanischen Garten von Kapstadt, nach Kirstenbosch, auf den ich mich schon so sehr gefreut hatte. Und er ist auch paradiesisch schön. Eine riesengroße Anlage, die ausschließlich die heimische Kapflora beherbergt: unzählige Proteen-Arten blühen dort neben Kapheide und zahllosen bekannten und mir unbekannten Blumen und Sträuchern. Aber am allermeisten faszinierten mich die Proteen. Ich fotografierte unentwegt, kniete, stand oder bückte mich, um die jeweiligen Blüten optimal mit Macro-Objektiv bannen zu können. Und welcher Reiseleiter trägt einem schon die lästige und schwere Tasche? Auch das machte Erwin noch so zwischendurch, damit ich unbeschwert fotografieren konnte. Kein Wunder, daß die Käthe von der letzten Bank neben mir so von ihm schwärmt. Sie hatte mit ihm die Israel-Reise gemacht und mir gleich am ersten Tag erzählt, was für ein Goldstück von Reiseleiter wir da erwischt hatten.

Der Spazier- und Entdeckungsgang durch die Kapflora wird mir ewig im Gedächtnis bleiben. Selbst hier im düsteren Deutschland im November sehe ich die leuchtenden Farben der Proteen, den blauen Himmel über Kapstadt und die graue Wand des Tafelberges bildlich vor mir und brauche dazu nicht einmal Phantasie. Das waren solche Sternstunden im Leben, und auf dieser Reise gab es einige Sternstunden, die sich mir eingeprägt haben. Und diese Stunden sind es denn auch, die immer wieder neu die Sehnsucht hervorrufen, mehr zu sehen und zu erleben, wieder die Koffer zu packen, wieder Mühen und Schweiß auf sich zu nehmen, um wieder die Schönheiten dieser Welt zu sehen und nicht den Dreck und die Mühsal, die leider auch dazu gehören.