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Wir haben einigen von den großen Sprüchen des Wahrsagers erzählt (das dauerte übrigens fast 2 Stunden), und dann war natürlich das Gelächter groß, und der halbe Bus hat gefrozzelt wegen der Zwillinge. Wir hatten viel Spaß an der Sache und haben noch oft gelacht, wunderten uns aber doch, wie der Mann so einige Tatsachen wissen konnte.

Wir sind dann gegen 23.00 Uhr auf unser Zimmer gegangen, haben einen süßen Gecko entdeckt, eine Art Salamander mit Saugfüßen, der die Wände entlangläuft und Fliegen und Moskitos fängt) und geknipst. Während Erni schon den Schlaf des Gerechten schlief, habe ich noch eine Unzahl Karten an unsere Lieben daheim geschrieben, ehe ich mich gegen Mitternacht auch hinlegte. Stundenlang habe ich mich gedreht und mit Autan eingesprüht gegen die verfluchten Moskitos und habe dann vielleicht zwei Stunden geschlafen. Dann bin ich völlig zerstochen aufgewacht. Beim Frühstück hat alles auf die Moskitos geschimpft, die einen wirklich zum Wahnsinn treiben können, und das noch zu der Hitze, die schon ausreicht, um einen verrückt zu machen.

Das Frühstück war ganz eßbar, englisch mit Rührei und Cornflakes oder Toastbrot mit Marmelade. Um 8.00 Uhr fuhren wir wieder nach Jaipur und sahen uns u.a. den Palast der Winde an, der wirklich sehr schön und filigran gebaut ist. Dann kaufte ich zwei Wickelröcke und einige Melonen. Schließlich konnten oder mochten wir uns der aufdringlichen Bettler und Kinder nicht mehr erwehren und zogen es vor, im Bus zu warten und von dort aus das Treiben um uns herum zu beobachten.

Wir fuhren anschließend zur Sternwarte, die ganz eigentümlich aussieht und eine Menge steinerne Sonnenuhren aufweist. Einige Treppen mit abnorm hohen Stufen führen steil nach oben. Dieses Stufenlaufen hatte mir für die nächsten Tage einen ordentlichen Muskelkater beschert. Von der Sternwarte aus gingen wir zum Palast des Maharadschas, der sogar zu Hause war, d.h. wir sahen ihn in einem silbergrauen Fiat - natürlich mit Chauffeur - davonfahren. Sein Palast ist aber wirklich ein Schmuckstück. Unglaublich fein gearbeitete Türmchen, Erker und Tore aus Marmor und Stein umgaben einen großen Innenhof. Wir konnten bloß noch staunen. Natürlich schwitzten wir wieder wie verrückt, und ich lief nur noch von einer kühlen Marmorecke zur nächsten und horchte den ausführlichen Erklärungen Veronikas nur noch mit einem Ohr.

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Veronika machte das alles aber mit soviel Gefühl und Engagement, und das nach acht Jahren Indien, daß wir sie wirklich manchmal bewunderten. Sie liebt Indien und seine Menschen sehr und hat wohl schon so manches von ihnen übernommen. Übrigens hat sie einige Monate nach dieser Reise einen Sikh geheiratet und lebt mit ihm dort.

Nachdem wir vor dem Palast an einem Getränkestand nochmal Himalaya-Wasser im wahrsten Sinn des Wortes getankt hatten (der Menge wegen), begann eine ziemlich lange Fahrt nach Bharatpur, wo sich ein großes und überhaupt das einzige Vogelparadies Nordindiens befindet.

Die Fahrt dorthin war ermüdend. Es war sehr heiß, sehr trocken, und die Landschaft öde. Ab und zu sah man einen der sehr schönen, knallroten Korallenbäume, aber sonst waren außer einigen Bougainvilleenbüschen kaum nennenswerte Bäume zu sehen. Alles war trocken und staubig, und wir konnten kaum glauben, daß jetzt erst die heiße, trockene Zeit beginnen sollte. Mitte März beginnt die offizielle heiße, trockene Zeit. Wie öd und trostlos sieht das Land wohl aus, kurz bevor der Monsum kommt? Unvorstellbar tot und lebensfeindlich für Mensch und Tier.

Alle paar 100 Meter sahen wir einige ärmliche Lehmhütten, Frauen in Saris, die ihren Wasserbüffeln eimerweise Wasser überschütteten, damit sie nicht eingehen. Sobald wir hielten, um eine Fotopause oder einen Buschstopo zu machen, tauchten aus dem Nichts unzählige Kinder auf, die die Hand ausstreckten für ein Bakshish (Trinkgeld). Selbst die kleinen Kinder auf dem Arm der Schwester, die noch gar nicht laufen können, streckten bereits die Ärmchen aus. Das ist wohl das erste, was sie lernen im Leben. Wir hatten aber inzwischen unterscheiden gelernt. Die Bevölkerung auf dem Land ist natürlich arm, aber sie sind wesentlich besser dran als die in den Städten, die in ihrem Elend eng zusammengepfercht sind und überhaupt keine Chance haben, auszuweichen. Die Landbevölkerung muß den ganzen Tag in der Hitze schwer arbeiten, um was zu essen zu haben, aber sie haben keinen Gestank und Dreck und die Enge der Großstadt zu ertragen. Sie sind im Allgemeinen auch besser ernährt als die Städter, die fürchterlich mager sind. Ich glaube nicht, daß die Landbevölkerung sehr hungert, wobei das natürlich sehr vom Regen bzw. von der Ernte abhängt. Wenn es mal ein Jahr nicht regnet, fällt die Ernte aus, und dann kommt auch der Hunger. Und ein weiteres Problem ist die Mitgift, die gezahlt werden muß, wenn eine Tochter heiratet. Dafür verschulden sich viele über Generationen. Wenn dann noch die Ernte ausfällt, suchen viele ihr Heil in der Stadt und enden im totalen Elend. Deswegen wollen die Inder keine Mädchen, und auch heute noch werden viele Mädchen gleich nach der Geburt getötet. Die Frau gilt in Indien nicht viel, sie wird nur als Arbeitskraft und Gebärmaschine für Söhne gebraucht.