Einer der Männer antwortet, dass es ungefähr noch eine halbe Stunde ist. Wir bleiben stehen und sollen nochmal trinken. Jonathan bekommt einen Früchteriegel, den er nebenbei knabbern kann. Dann geht’s weiter. Ich vermeide es, auf meine Uhr zu schauen, denn der Blick ins Tal zeigt mir, wie weit die Lichter von Hintertal noch entfernt sind, vor allem wie weit unten im Tal. Sind wir denn nicht schon lange genug abgestiegen? Das verkraftet kein Mensch, erst recht nicht ein Kind von 10 Jahren. Jonathan tut mir leid und ich versuche, ihn immer wieder aufzumuntern und in Gespräche zu verwickeln. Als er erneut fragt, wie weit es noch ist, zeigt ihm der Mann vor ihm Lichter, tief unter uns und sagt, dass dort Autos stehen, die auf uns warten. Er denkt, er macht ihm eine Freude mit dieser Nachricht. Das wäre es auch tatsächlich, wenn wir näher dran wären. Nicht nur ich bin enttäuscht, sondern auch Jonathan und ich höre es an seiner Stimme, als er sagt:

„So weit noch?“

{{g_ads}}

Wie soll ich ihn trösten, wenn ich selbst Trost gebrauchen könnte. Meine Hose und Schuhe waren während dem Abstieg wieder halbwegs trocken geworden. Jetzt werden sie wieder patschnass vom Gras und Gebüsch, das den schmalen Weg säumt. Ab und an bleibt der Mann vor Jonathan stehen, um ihn zu warnen, dass ihm nicht Büsche ins Gesicht schlagen.

 Doch auch das geht vorbei. Auf den letzten Metern stolpern wir über Kuhkacke und versuchen drumherum zu balancieren. Endlich angekommen, schütteln wir auch hier Hände und hören Namen. Es ist 23.45 Uhr. Ein Mann fragt, ob er ein Foto fürs Archiv machen kann. Natürlich, wir versuchen krampfhaft, zu lächeln. Dann nehmen wir die drei Autos, von denen ich zwei als Landrover bezeichnen würde, in Beschlag. Die Rucksäcke und Stöcke wandern ins Heck hinter die Sitze. Fünfzehn Männer und zwei Vermisste quetschen sich in die Autos. Wir sitzen zu viert auf der Rückbank des letzten Wangens. Wir sind einfach nur glücklich, dass wir nicht mehr laufen müssen. Jetzt wird alles gut!